Die Zerreissprobe

Ein Beitrag von Daniela Baumann
Dieser Text ist zuerst als Kolumne im Wochenmagazin IDEA erschienen
Daniela Baumann

Es ist wieder einmal zum Heulen, mir fehlen die Worte: Kriege, Umweltkatastrophen, Terror scheinen die Welt zu dominieren. Ich würde mich nicht als „News Junkie“ bezeichnen – und doch erreichen und treffen mich Schreckensnachrichten aus aller Welt manchmal in einer Kadenz, die mich sprachlos zurücklässt.

Nicht besser macht es die Tatsache, dass meine eigene Lebenswelt in einem krassen Kontrast dazu steht: Ich lebe in einem Land, in dem Milch und Honig fliessen; in einem Gesellschaftssystem, das ein hohes Mass an Sicherheit bietet; an einem Ort, den ich fast paradiesisch schön nennen würde; und nicht zuletzt in einer Gemeinschaft von Menschen, die mehrmals täglich zusammen beten, Gott um das Kommen seines Reiches und das Geschehen seines Willens bitten. 

Da sitze ich also in meinem „Paradies“, singe gemeinsam mit Glaubens­geschwistern von einem Gott, der Frieden schenkt, preise ihn als Herrn der Welt und befehle sie ihm an – alles wunderbar! Ja, mein Leben ist wirklich wunderbar und ich kann Gott nicht oft genug danken. Doch rundherum tobt der Sturm und ich frage, ja schreie innerlich: Wo sind dein Friede, dein Reich, deine Herrlichkeit in dieser Welt, für die wir tagtäglich bitten? Warum greifst du nicht ein? Was soll das alles?

Mir sind theologische Antworten auf diese Fragen nicht unbekannt. Aber das Leben im Hoffen auf etwas, das noch so überhaupt nicht Realität zu sein scheint, empfinde ich manchmal als schwer erträglich, als Zerreissprobe. So endet die Geschichte hier für einmal vorerst ohne Happy End: Mir fehlen nach wie vor die Worte. Aber ich lebe in der Hoffnung auf den, der das letzte Wort haben wird.

 

Daniela Baumann ist Kommunikationsverantwortliche der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA und lebt seit einem halben Jahr in der Communität Don Camillo in Montmirail.

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