Rut und Resilienz - Teil 3

Betrachtungen von Xandi Bischoff

Da Rut uns in mehrfacher Hinsicht ein Vorbild für Resilienz ist, lesen wir nochmals weiter im gleichnamigen Buch des Alten Testamentes. Die folgende Szene spielt sich zwischen Rut und ihrer Schwiegermutter Noomi ab.

 

Und Rut zog hervor, was sie vom Essen übrigbehalten hatte, und gab es Noomi. Und ihre Schwiegermutter sagte zu ihr: Wo hast du heute Ähren gelesen, wo hast du das getan? Gesegnet sei, der dir seine Beachtung geschenkt hat. Und sie berichtete ihrer Schwiegermutter, was sie bei ihm getan hatte, und sagte: Der Name des Mannes, bei dem ich das heute getan habe, ist Boas. Da sprach Noomi zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei er vom HERRN, der den Lebenden und den Toten seine Güte nicht versagt hat!

 

Rut lässt sich von den Widerwärtigkeiten des Lebens nicht unterkriegen. Man sieht das daran, dass sie nicht nur mit sich selbst beschäftigt ist, sondern auch an andere denkt, nämlich hier an ihre Schwiegermutter. Das ist übrigens nicht ganz leicht, bei dieser Schwiegermutter, denn schliesslich hat sie früh ihren Mann verloren, und musste (aus dem Moabiterland) emigrieren. Noomi wird auch als Mara, die Bittere, bezeichnet. Durchaus adäquat: Noomi jammert oft und kämpft mit der Bitterkeit. Rut weicht Noomi auf. In dem Rut nicht nur an sich denkt, sondern auch an ihre Mitmenschen, wird sie selber gesegnet.

Eine Rut aus dem letzten Jahrhundert beschreibt Fethiye Çetin, eine türkisch-armenische Rechtsanwältin, in einem Buch über ihre Grossmutter: Als neunjähriges Mädchen armenischer Abstammung wird sie 1915 zusammen mit ihrer Familie auf den Todesmarsch in Richtung syrische Wüste geschickt. Ein türkischer, kinderloser Offizier entführt sie, nimmt sie zu sich und rettet ihr damit das Leben. Die Grossmutter wächst als Muslima auf, heiratet nach islamischem Ritus und niemand in ihrem Umfeld weiss, dass sie als Armenierin und Christin geboren ist. Kurz vor ihrem Tod vertraut sie sich ihrer Enkelin an und greift ein Tabu-thema der Türkei an: die Vertreibung und der Genozid an Armeniern.

Die Enkelin Fethiye Çetin schreibt mit dem Buch «Meine Grossmutter, Erinnerungen» auch eine wunderbare Geschichte über Resilienz, Würde und Heldentum im Verborgenen. Ein solches Buch zu schreiben – es ist nicht ganz ohne, das in der heutigen Türkei zu tun – ist an sich schon ein Akt der Resilienz.

Zurück zu Rut. Was die Schwiegermutter sicher beglückt: Boas (der «Starke», und weitläufiger Verwandter von Noomi, und Rut, lernen sich kennen und heiraten. Der Sohn aus dieser Ehe ist der Grossvater von David und erscheint im Stammbaum von Jesus (siehe Matthäus 1,5).

Noomi segnet Ruth doppelt:  Gesegnet sei er vom HERRN, der den Lebenden und den Toten seine Güte nicht versagt hat! Und: Gesegnet sei, der dir seine Beachtung geschenkt hat. Segen und Resilienz sind ansteckend!  Sie bewirkt, dass es Noomi besser geht, und dass deren Resilienz sich aufbaut.

 

Fortsetzung folgt!

 

Xandi Bischoff

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