Ich darf bitten
Impuls zur Meditation von Carsten Albrecht, Stadtkloster Segen Berlin
Lukas 11.9-10
Jesus sagt: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden;
klopft an, dann wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht,
der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.
„Wenn ich bitten darf…“, „Ich muss schon sehr bitten!“ Das Bitten kommt hin und wieder vor in unserer Alltagssprache. Im Evangelium lädt uns Jesus dazu ein, zu bitten. Was passiert eigentlich, wenn wir jemanden um etwas bitten? Wir erkennen damit an, dass wir etwas nicht alleine schaffen und auf andere angewiesen sind. Eine Bitte fragt nach einem Geschenk. Wäre es Leistung gegen Leistung, würde es sich nicht mehr um eine Bitte, sondern um ein Geschäft handeln. Der oder die Bittende gesteht ein, dass er oder sie auf andere angewiesen ist.
Eine Bitte lässt mein Gegenüber frei, dieser zu entsprechen oder auch nicht. Ich zwinge nicht, ich bitte. Wenn Gott der Adressat meiner Bitte ist, dann stellt Jesus uns in Aussicht, dass Gott der Bitte nachkommen wird: Bittet, dann wird euch gegeben. Meine Erfahrung ist, dass ich auf den ersten Blick oft nicht das bekomme, worum ich Gott gebeten habe. Gegen allen Realismus regt Jesus aber an, dass wir dennoch bitten, suchen, anklopfen sollen bei Gott. Er sagt damit auch: Fühlt euch frei gegenüber eurem Schöpfer; seid so wie ihr seid; ihr braucht euch vor Gott nicht zu verstellen.
Der protestantische Theologe Heinz Zahrnt (1915–2003) schreibt dazu:
„Die letzte Erwartung des Bittgebetes ist nicht die Erwartung der Hilfe von oben durch einen direkten Eingriff Gottes, sondern das Verlangen nach jener Gewissheit und Geborgenheit, in dem man dem anderen alles sagen kann – und siehe, es ist gut.“
Wir dürfen davon ausgehen, dass Gott mit uns eine lebendige Liebesbeziehung führen will. Wie in jeder guten Beziehung haben auch zwischen Gott und mir Bitten, Wünsche und Sehnsüchte ihren Platz.
Auf der Suche nach einem guten Lebensweg oder vor wichtigen Entscheidungen sind meine Wünsche und Sehnsüchte vielleicht nicht das einzige Kriterium, aber wohl ein wichtiges. Das, wonach ich mich sehne, sagt auch etwas darüber aus, was mich im Innersten ausmacht. Gott selbst wohnt in unserer Sehnsucht und will sie wandeln.
Wie schwer bzw. wie leicht fällt es mir, einen Mitmenschen um etwas zu bitten? Wie geht es mir damit?
Welche Rolle spielt das Bittgebet in meinem Glaubensleben?
Welche Wünsche und Sehnsüchte habe ich für mein Leben? Was davon ist schon
in Erfüllung gegangen, vielleicht auch nur teilweise? Wo durfte ich bisher
empfangen oder finden? Wo hat mir jemand eine Türe aufgetan?
Carsten Albrecht