Entlaste dich
Impuls von Carsten Albrecht
Exodus 18.22-23
Sein Schwiegervater Jitro gab Mose folgenden Rat:
Entlaste dich und lass die anderen mittragen! Wenn du das tust, sofern Gott zustimmt, bleibst du der Aufgabe gewachsen und dieses ganze Volk kann in Frieden heimkehren.
In der Bibel kommen immer wieder Geschichten vor, in denen es um Hilfe geht. Hilfe durch Gott und Hilfe durch Mitmenschen. Mose finden Helferinnen und Helfer seiner schweren Aufgabe, sein Volk durch die Wüste zu führen. Hoffentlich gibt es auch in unserem Leben Helferinnen und Helfer in der Wüste, in Situationen, bei denen wir alleine nicht weiterkommen.
Das Buch Exodus erzählt von vielen Helfern, mit denen sich Mose die Arbeit teilt. (Es empfiehlt sich den ganzen Text zu lesen: Exodus/ 2. Mose 18, 13 – 26, zu finden in der Bibel oder auch im Stadtkloster-Impuls von letzter Woche). In dieser Geschichte ist Jitro der erste Helfer. Jitro ist der Schwiegervater von Mose. Er hilft, indem er ihm einen Rat gibt. Gutgemeinte Ratschläge sind ja nicht immer hilfreich und Ratschläge von den Schwiegereltern sind häufig nicht die beliebtesten.
Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn mein Schwiegervater jetzt zu mir käme und so wie Jitro zu mir sagen würde: Du machst das hier ganz falsch, du musst das anders machen, du musst diesen Impuls ganz anders schreiben…
Hilfe annehmen ist nicht immer leicht und tatsächlich kommen manchmal Hilfsangebote als Tarnung daher und eigentlich geht es um Macht und Einfluss – was ich meinem Schwiegervater aber nicht unterstellen würde.
In Nicaragua verbietet derzeit die Regierung bestimmten Hilfsorganisationen, in der Corona-Pandemie medizinische Hilfe zu leisten, weil sie eine kritische politische Agenda haben. Auch im Nahen und Mittleren Osten ist bei Naturkatastrophen immer wieder die Frage: Wer darf helfen und wer nicht?
Solche Diskussionen und Verbote machen deutlich, dass helfende Menschen durch ihre Hilfe Einfluss nehmen können auf diejenigen, denen sie helfen. „Tu Gutes und rede darüber“ – manchmal gehen Hilfsbereitschaft und strategische Interessen miteinander einher.
Wenn ich Hilfe annehme, erkenne ich meine eigene Schwäche an, erkenne ich an, dass ich auf andere angewiesen bin – das gilt für Regierungen wir für Einzelpersonen. Die eigene Angewiesenheit anzuerkennen kann sehr schmerzhaft sein; manch einer nimmt dann lieber keine Hilfe an.
Das Verhältnis zwischen Jitro und Moses, zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn ist aber offenbar gut genug, dass es diese Spannung aushält. Moses lässt sich helfen, er nimmt Jitros Rat an und delegiert Aufgaben.
Hilfe annehmen können – das ist für mich im Alltag immer wieder eine Herausforderung, auch hier im Stadtkloster. Mir hilft dabei das Wissen um meine Hilfsbedürftigkeit gegenüber Gott, um meine Angewiesenheit auf Gott. In jedem Mittagsgebet singen wir „O Gott komm mir zu Hilfe, Herr eile mir zu helfen. Gott ist mein Helfer, auf ihn allein will ich vertrauen.“ In meiner Gottesbeziehung darf ich das einüben: Dieses Um-Hilfe-Bitten, diese Haltung des Angewiesen-Seins. Und so wie ich Gottes Hilfe brauche, brauche ich natürlich auch die Hilfe meiner Mitmenschen.
Entlaste dich und lass die anderen mittragen! Wenn du das tust, sofern Gott zustimmt, bleibst du deiner Aufgabe gewachsen und dieses ganze Volk kann in Frieden heimkehren.
Entlaste dich, du musst nicht alles selber machen, gib Aufgaben ab. Das ist gut für Dich und gut für die Menschen um dich herum. Du bist zwar wichtig, aber es ist nicht so, dass ohne dich hier nichts läuft.
In welche Situationen meines Lebens spricht Gott diese Worte hinein?
Wo wird mir im Alltag bewusst, dass ich angewiesen bin?
Von wem kann ich gut Hilfe annehmen?